Ferkelmarkt in Wels
„Wels schlief noch, als am Samstag den 18. Oktober 1924, der Paschinger Ferkelhändler Johann Reindl mit seinem Wagen, bespannt mit den schweren, breitrückigen Haflingern eintraf. Mit seiner Ladung, die zahlreichen Gitterkisten voller Ferkel, machte er sich bereits um vier Uhr in der Früh auf den Weg, um entlang der Welser Heide rechtzeitig zum Wochenmarkt zu gelangen.
Konkurrenz
Doch er war nicht der einzige – aus allen Windrichtungen eilten Fuhrwerke herbei. Durch die Bahnhofstraße, die Salvator- und Bismarckstraße tuteten rasch dahinfliegende Autos, deren sich der Verkehr auch in dieser Stadt längst bemächtigt hatte, geduldige Gäule, an offene und halbgedeckte Droschken gespannt, trotteten in gemächtlichem Trab über das gutgepflegte Würfelpflaster und auf den Gehsteigen bewegten sich förmlich Prozessionen von Landleuten, die allesamt dem Kaiser-Josef-Platz zustrebten.
Während die einen gleich den „Drei Kronen“-Saal aufsuchten, wo sich eine Art landwirtschaftliche Produktenbörse etabliert hatte, setzten andere ihren Weg gegen den Wilhelmring zu fort.
Lautes "Gequietsche"
Hier empfing den Besucher lebhaftes Grunzen und lautes Gequietsche: Der Ferkelmarkt, der größte Markt dieser Art in Österreich, dehnt sich hier von der Pfarrgasse bis an die letzten Häuser des Wilhelmringes hin aus. In großen „Steigen“ zusammengepfercht, wurden Spanferkel, Frischlinge und Futterschweine feilgeboten. Fürkaufler und Kleinhäusler aus der ganzen Umgebung brachten Woche für Woche Borstenvieh hierher auf den Markt und versorgten nicht nur einen Großteil Oberösterreichs, sondern auch andere Bundesländer mit Stechware und zur Aufzucht bestimmten Jungtieren. Der Markt begann im Sommer schon um 5 Uhr, im Winter um 6 Uhr früh und dauerte bis in die zwölfte Mittagsstunde. Eifrig waren die Verkäufer bemüht, ihre Ware – die durchschnittliche Zufuhr betrug 1800 Jungschweine - an den Mann zu bringen.
Kommt der Handel zustande, so eilen Frächter mit Gitterkisten herbei, packen die Tiere bei den Hinterfüßen, laden sie in die für den Abtransport vorbereiteten Behältnisse und führen sie auf Handkarren entweder zur Bahn oder in den Einkehrgasthof, in dem der Käufer sein Fuhrwerk untergebracht hat.
Der Austausch
Manchmal traf der Paschinger Ferkelhändler Reindl wie zahlreiche andere Bauern und Händler schon in den Nachmittagsstunden des Freitags in Wels ein, sie suchten ihre gewohnten Einkehrgasthöfe auf, wo „eingestellt“ wurde, und trafen sich dann in rauchgeschwärzten Gaststuben, um sich die ersten friedlichen Schlachten, die einen richtiggehenden Handel einleiten, zu liefern. Beim „Schwarzen Bock“ oder bei der „Blauen Ente“ und wie die großen Gasthöfe alle hießen, füllten sich die Lokale und Stallungen, das Wagenzeug wurde vor dem Hause, am Gangsteig streng ausgerichtet aufgestellt, damit der Verkehr in den Straßen ungehindert fließen konnte.
An den Tischen der Gaststuben wurde es allmählich lebhafter. Anfangs verstanden sich Käufer und Verkäufer nicht recht gut. Aber nach längerem Hin und Her kamen zögernd schwarzlederne Brieftaschen, drei-, vier- oder fünffächerig, aus den inneren Rocktaschen zum Vorschein und die ersten Banknoten wechselten ihre Besitzer. Landsleute, die sich gegenseitig kannten und von denen der eine weiß, daß er vom anderen nicht „angeschmiert“ wird, schlossen hier auf Treu und Glauben ihre Geschäfte ab. Der Welser Ferkelmarkt war nicht nur österreichweit von Bedeutung, auch aus vielen anderen Ländern kamen Händler herbei, die Zucht der deutschen und der englischen Porkshire-Rasse wurde gerne gekauft, im Jahre 1923 wurden insgesamt 85.000 Schweine auf dem Welser Wochenmarkte gehandelt.“