Cyclisten, Velocipedisten und Radlreiter
So entdeckten die Linzer das Fahrrad
Bereits seit den 1860er-Jahren waren die Radfahrer auch auf den Linzer Straßen anzutreffen, nicht gerade zur Freude der Passanten und der Polizei. Anfangs noch spöttisch beargwöhnt, standen sie bald unter besonderer Beobachtung. Der Linzer Bürgermeister Viktor Drouot sprach 1869 gar ein Fahrradverbot auf allen Gehsteigen und Fußwegen, auf der Promenade und in der Allee aus. Im selben Jahr war auch ein erstes Todesopfer zu verzeichnen: ein Hund, der unter ein Rad kam, als er ebendieses aus Wut zerbeißen wollte. Damals wurde auch noch jeder harmlose Sturz mit dem Fahrrad von den Tageschroniken der Linzer Zeitungen erfasst.
Fahrverbote & Steuer
1869 fand auch bereits das erste oberösterreichische „Velociped-Wettfahren“ im Rahmen des Linzer Volksfestes auf dem Volksfestplatz statt. Später hatten die Linzer Radfahrer ihre Rennplätze auf dem Südbahnhof und in der Nähe des Westbahnhofs. Überhaupt wurde das Fahren auf dem Hochrad zu einer Volksbelustigung ersten Ranges – und auch zur Gefahr im täglichen Straßenverkehr, dann nämlich als das Hochrad vom Niederrad (das man auch als „Sicherheitsrad“ bezeichnete) abgelöst wurde. 1884 wollte man deshalb das Radfahren in der Stadt grundsätzlich verbieten, weil die Straßen, wie man meinte, nicht für solche „Spielereien“ da waren. Schließlich wurde das Radfahren auf der Landstraße, Herrenstraße, Promenade, auf dem Graben und dem Hauptplatz untersagt – in Salzburg wurde sogar eine Fahrradsteuer von 2 Gulden jährlich eingeführt und die Benützung an einen Erlaubnisschein (nach absolvierter Probefahrt) und eine deutlich sichtbare Nummerntafel geknüpft. Von dieser Idee, wenn auch mit Verspätung, ließ man sich auch in Linz überzeugen.
Radl-Führerschein
Auf Anregung der Linzer Radfahr-Vereine – sie nannten sich ursprünglich „Cyclistenclubs“ – beschloss der Gemeinderat 1894 eine neue Fahrordnung: Radfahrer müssen bei der Gemeinde, hieß es nun, eine Prüfung ablegen, dafür sind 3 Gulden an die Armenkasse zu entrichten. Jährlich musste ein Ausweis zur Bewilligung zum Radfahren beantragt und vorne am Rad eine Nummer angebracht werden. Die Regelung wurde erlassen, um die „Wilden“ auf der Straße in die Schranken zu weisen: „Sah man doch manchmal Gestalten auf dem Rade daherschwanken, von denen man jeden Augenblick fürchten musste, dass sie nicht nur selbst mit Mutter Erde bald in nähere Berührung kommen, sondern auch noch harmlose Passanten beschädigen werden.“ So konnte man im Juli 1894 in der Zeitung lesen.
Um die „Erlaubnisscheine“, die jährlich von der Gemeinde ausgegeben wurden, mussten sich die Radfahrer beim Polizeiamt bewerben. Dazu gab es Beschränkungen wie etwa, dass die Landstraße und die Schmidtorstraße sowie alle Straßen, die weniger als 2 m breit waren, zwischen 7 und 20 Uhr nicht befahren werden durften, zu Marktzeiten auch der Hauptplatz und die Promenade nicht. Derlei Auflagen und Kosten hatten nur anfangs ihre Wirkung: 1894 suchten lediglich 58 Radfahrer um einen Erlaubnisschein an, doch bereits 1898 wurde ein Stand von mehr als 2.000 angemeldeten Fahrrädern registriert. Davon wurden lediglich rund 100 Radfahrer von der Polizei beanstandet.
Freier Radverkehr ab 1897
Radfahren war aber schon bald nicht mehr bloß Sport, sondern volkstümliche Teilnahme am Straßenverkehr. In Wien und Niederösterreich wurde 1897 schließlich der freie Radfahrverkehr gestattet. In der Folge beschloss auch der Linzer Gemeinderat die Freigabe aller Straßen für den Fahrradverkehr. Ein Jahr später wurde auch der Prüfungszwang aufgehoben und im Jahr 1900 entfielen die Nummerierung und die Lösung eines eigenen Fahrscheines. Ebenso wurde schon 1898 der §9 der Verkehrsordnung außer Kraft gesetzt, der vorschrieb, dass Rahmen, Speichen und Felgen sowie Laternen aller Radfahrzeuge nicht so poliert und vernickelt sein dürfen, dass sie in der Sonne glitzern… Vorsicht wurde allerdings beim Überholen von Pferden eingemahnt, die sich an die Fahrräder noch nicht gewöhnt hatten und oft scheu wurden. In solchen Fällen sollten die Radler langsam an ihnen vorbeifahren und begütigende Worte zu ihnen sprechen, gegebenenfalls auch absteigen. Tja, die gute alte Zeit halt.