Holländischer Baustil in Linz
Eine für damals kühne Architektur
Die Ortschaft Scharlinz, die zur Gemeinde Kleinmünchen gehörte, war 1910 eine Ansiedlung von rund 100 Häusern mit 1.300 Einwohnern am Rande eines ausgedehnten Waldgebiets. Zwar spürte auch der kleine Ort den Aufschwung Kleinmünchens als Industriestandort, doch seine eigentliche Bedeutung lag nicht in der Verfügbarkeit von Baulandreserven. Auch bedingt durch das Wasserschutzgebiet kam die Siedlungstätigkeit bis nach dem Ersten Weltkrieg weitestgehend zum Erliegen. Die enorme Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg nötigte die Stadt Linz jedoch auch hier, rasch und tatkräftig zu handeln.
Provisorische Unterkünfte
In erster Linie wurden Kasernen bewohnbar gemacht und Barackensiedlungen wie in Wegscheid, Katzenau, Urfahr und Hühnersteig errichtet. So konnten im Frühjahr 1920 bereits 800 Wohnungen bereit gestellt werden. Die Bauten waren allerdings nur Notbehelfe, während in der Ortschaft Scharlinz schon im Frühjahr 1919 mit der Planung des ersten Wohnungsprojektes begonnen wurde. Bauträger war der Landesverband der oberösterreichischen Baugenossenschaft. Mit Hilfe des Staates, des Landes und der Gemeinde Linz sollte die „Kleinsiedlung Scharlinz“ mit 52 Einfamilienhäusern und vier Mehrfamilienhäusern entstehen.
Es plante der Kühne Carl
Durch das Entgegenkommen des Großindustriellen Karl Franck, der auf einen Grundstückstausch einging, gelang es, Baugrund von 124.000 m2 sicherzustellen. Die Planung sowie die Ausarbeitung aller technischen Behelfe wurde dem Linzer Stadtbaudirektor Ing. Carl Kühne (1883-1963) übertragen. Mit dem Bau wurde der Gemeinderat und Baumeister Franz Schubert beauftragt und im Frühjahr 1919 bereits mit dem Bau begonnen. Die Verpflegung der 155 Arbeiter wurde dem Gasthaus „Zum Schwan“ (Baumbachstraße 18) übertragen. Die Bauweise in Form von „Reihenhäusern“ hat die Ausführung verbilligt und beschleunigt. Die weiteren Vorteile waren hauptsächlich die Grundersparnis und thermische Vorzüge, da jedes Haus nur zwei freie Seiten aufweist und daher Temperatureinflüssen nicht so ausgesetzt wird.
Mit In-Stall-ation
Jedes Haus wurde teilweise unterkellert und bestand aus einem erhöhten Erdgeschoß, in dem sich eine Stube, Küche, ein Waschraum mit einem eingebauten Waschkessel und im rückwärtigen Anbau ein kleiner Stall für Kleinvieh, Ziegen und Schweine befanden. Im Obergeschoß wurden zwei weitere Räume untergebracht. Von dort gelangt man auf den Dachboden, der ebenfalls bewohnt werden kann. Jedes Haus hat an der Rückseite außerdem rund 300 m2 Gartengrund. Die Häuser wurden mit Ziegeln und Betondoppelhohlsteinen errichtet und mit Eternitschiefer gedeckt.
Pionierleistung
Trotz der enormen Baukosten, die durch die hohen Materialpreise und Löhne verursacht wurden, hoffte man die Jahresmiete auf lediglich 800 bis 1.000 Kronen festsetzen zu können. Eine Besonderheit für damalige Verhältnisse war, dass die Häuser mit elektrischer Beleuchtung und Wasserleitung ausgestattet wurden. Im Herbst 1919 konnten die ersten 26 Häuser fertiggestellt werden und im Frühjahr 1920 folgte der Rest. Das Linzer Tagblatt vom 3. April 1920 lobte die neuen Bauten: „Gegenüber den unhygienischen Wohnungen, wie sie mitunter in der Pfarrgasse, Hofgasse, Klosterstraße, Altstadt, Ludl usw. anzutreffen sind, repräsentieren sich die neu adaptierten Räume in den Gemeindewohnhäusern als förmliche Erholungsstätten.”
Vorbilder aus Deutschland
Im Mai 1923 wurde die Gemeinde Kleinmünchen mit rund 7.300 Einwohnern auf 1.485 Hektar zur Stadt Linz eingemeindet. Linz wuchs ab dann mit rund 101.342 Einwohnern zur Großstadt heran. Ende 1928 wurde der Straßenzug der Siedlung nach Joseph Haydn benannt. Es wird häufig behauptet, dass Stadtbaudirektor Kühne ein gebürtiger Niederländer gewesen wäre und daher die Siedlung in der Haydnstraße vom Baustil seiner Heimat beeinflusst sei. Doch Kühne war deutscher Architekt. Er trat am 25. Jänner 1915 die Stelle des Linzer Stadtbaudirektors an und wirkte hier bis zu seinem Ruhestand 1949. Zuvor arbeitete er im Stadtbauamt Berlin-Charlottenburg. Eine ähnliche Architektur gab es damals bereits im Holländischen Viertel in Potsdam. Im Jahr 1914 wurde in Berlin mit der Gartenstadt Staaken mit rund 450 Häusern begonnen. Sie war der konzeptionelle Ausgangspunkt bzw. das Vorbild für die Planungen in Linz.
Eindeutige Handschrift
Mit dem Prinzip der Gartenstädte sollte den bisher überbelegten und kasernenartigen Wohnblöcken sowie einer Seuchengefahr entgegengewirkt werden, um den Bewohnern eine bessere Lebensqualität zu bieten. Auch in der Wohnsiedlung Wimhölzlstraße 17-27 ist dieser Stil klar erkennbar. Kühnes Handschrift trägt ebenfalls das bislang denkmalgeschützte Arbeiterviertel Sintstraße in Hafennähe. Diese historischen Beispiele für den sozialen Wohnbau müssen gegenwärtig teilweise neuen Eigentumswohnungen der GWG weichen.