Die Linzer Türmer
Als Linz noch von echten Türmern bewacht wurde
Die Silhouette von Städten, auch von Linz, war geprägt von vielen Türmen und Türmchen, die als Bestandteil von Wehranlagen oder Kirchen in den Himmel ragten. Und auf manchen von ihnen saßen Männer in luftiger Höhe, die nicht nur einen guten Ausblick über die Stadt genossen, sondern selbige auch bei Gefahr zu warnen hatten. Es waren die Türmer – ein Völkchen, über das bis heute nur wenig bekannt ist.
Im Dienst des Feuermeldewesens standen vor allem der Schmidtor-, der Pfarr- und der Landhaustürmer. In den Turmkammern des Schmidtorturms hausten seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bezeugt, die Turmwächter. Im südlichen Turm, dem Schmidtorturm wohnten einst die Thurnermeister (Volksmund Ableitung Turmmeister) mit ihren Gesellen. Das städtische Amt des Thurnermeisters diente der Versorgung der weltlichen Musik, später auch der Kirchenmusik; die Obliegenheiten der Linzer Thurnmeister waren in Thurnermeisterordnungen genau bestimmt und festgesetzt.
Viele Pflichten
Da der Linzer Stadtthurnermeister als Entgelt für den Musikdienst von der Stadt freies Quartier im Schmidtorturm erhielt, hatte er neben seinen musikalischen Dienstespflichten anfänglich auch die Wacht über die Stadt zu halten und musste bei Feuersbrünsten oder bei Annäherung des Feindes die Stadtbewohner von solchen Ereignissen durch einige gewisse Anzahl Stöße in die Trompete benachrichtigen.
1828 musste der baufällig gewordene Turm abgetragen werden. Mit ihm verschwand auch sein letzter Stadtthurnermeister, der übrigens eine berümte Persönlichkeit war. Sein Name war Franz Xaver Glöggl, seine Vorfahren betrieben dieses Amt bereits für viele Generationen. Er war ein begabter Musiker und bekleidete auch das Amt des Linzer Domkapellmeisters. Glöggl, der sich auch kompositorisch betätigt hat, war mit Mozart und Beethoven befreundet und stand mit den beiden Großmeistern der Musik während ihres Linzer Aufenthaltes in Verbindung. Beethoven schrieb für seinen Linzer Freund sogar drei Equale für vier Posaunen, die auch beim Begräbnis des großen Meisters in Wien zur Wiedergabe kamen.
Feuerspektakel
Den weitaus wichtigsten Posten hatte allerdings der Stadtpfarrtürmer. Als „Kirchturner“ ist seine Existenz schon 1550 belegt. Er gab das erste Signal im Brandfall, was die restlichen Türmer weitergeben mussten. Aus der Zahl der Schläge konnte man heraushören, wo es brannte. Dazu wurden rote Fahnen, bei Nacht Laternen ausgesteckt. Teilweise wurde die Brandrichtung auch durch Sprachrohre angegeben, um ein Höllenspektakel loszutreten: Hornisten bliesen vor den Kasernentoren, Feuerwehr-Signalisten in den Straßen. Bei Nacht kamen noch die Hörner der Gewölbewächter hinzu.
Genervte Bürger
Dass der Alarm auch bei kleinen oder Landfeuern ausgebracht wurde, gereichte manchen Linzern zum Ärgernis. Der Ausspruch: „Ich sehe nicht ein, warum ich in Linz nicht schlafen darf, wenn in Leonding ein Misthaufen brennt!“, war stadtbekannt.
Auf dem Landhausturm, der 1800 selbst den verheerenden Flammen, vor denen sein Türmer die Stadt getreu gewarnt hatte, zum Opfer gefallen war, jedoch als erster Teil des abgebrannten Landhauses wieder neu errichtet worden war, wurde Ende der 1830er Jahre auf Anregung des Pater Resslhuber, der spätere Abt und berühmte Astronom des Stiftes Kremsmünster, ein sogenanntes Toposkop in Betrieb genommen. Der Turmwächter konnte mithilfe dieses Apparates und anhand eines genauen Orts– und Häuserplanes, mit ziemlicher Genauigkeit das Brandobjekt feststellen.
Ab 1883 hatte der Stadtpfarrtürmer auch ankommenden Schiffe anzuzeigen. Näherte sich ein Dampfer aus Richtung Wien oder Passau, steckte er eine schwarze Tafel aus, sodass die Dienstmänner, Fiaker und Postbeamten sich zum Landungsplatz begeben konnten.
Weiter Blick aus enger Stube
Für den Stadtpfarrtürmer war das Bauwerk nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch Wohnung zugleich. In einer winzigen Stube „hauste“ er mit seiner Familie. Ein Verlassen dieser Stube war für ältere Türmer kaum mehr möglich, denn der Abstieg führte über eine steile Wendeltreppe. Beispielsweise musste die Türmersgattin Reiß 1900 in der Wohnung verbluten, da es nicht möglich war, rechtzeitig Hilfe heranzubringen. Ihr Sarg musste unter den Augen der Schaulustigen mühevoll abgeseilt werden.
Als vollends 1898 in Linz eine ständige Feuerwache eingeführt wurde, hörte die öffentliche Alarmierung der Stadt überhaupt auf. Es war ein lokales Ereignis, als am 28. August 1898 die Linzer Feuerwehr ihre Erstlingsfahrt zu einem Feuer unternahm. Zum ersten Mal unterblieb der altertümliche Feueralarm, der Pfarrtürmer hatte lediglich den Brand telefonisch an die Feuerwehrzentrale gemeldet.
Da mithilfe des Telefons und der Feuermelder nunmehr jeder Mann raschestens die stets bereite Feuerwehr an den Brandplatz rufen konnte, war die Einstellung der Turmwache nur mehr eine Frage der Zeit. Als erstes wurde im Jänner 1910 die Turmwacht am Stadtpfarrturm eingestellt, weil die Aussicht vom Turm im Laufe der Zeit ohnedies stark eingeschränkt worden war. An seiner statt diente ab 1895 die Franz-Josephs-Warte als Ausschau. Eine Turmwache im Domturm zu etablieren war indessen nicht gelungen, weil sich das bischöfliche Ordinariat wiederholt dagegen ausgesprochen hatte.
Der Landhausturm blieb noch bis ins Jahr 1931 besetzt.