Spinnerei Graumann
Die erste Baumwollspinnerei in Traun
Bis 1836 war die Winkelmühle (Traun Nr. 37) in Betrieb. Am 22. März dieses Jahres trat Jakob Wackerling, der Direktor der Spinnfabrik in Kleinmünchen, als Käufer der Mühle auf – der Kaufpreis betrug 1.700 Gulden –, er unterzeichnete den Kaufvertrag aber nicht in eigenem Namen, sondern als Bevollmächtigter von Anton Grimm, einem Zimmermeister im niederösterreichischen Fischamend. Dieser baute die Mühle in den folgenden Jahren zu einer Baumwollspinnerei um, dabei dürfte das Hauptgebäude (in der Form eines Vierkanters) auch aufgestockt worden sein. Grimm, der seinen Lebensmittelpunkt nicht in Traun hatte, bestimmte den aus der Schweiz stammenden Rudolf Müller als Direktor der Fabrik. Bald nach 1841 dürfte sie in Betrieb gegangen sein. 1843 verfügte sie über 1.160 Spindeln und 12 Feinspinnmaschinen. 39 „unmittelbar beschäftigte“ Arbeiter erzeugten 57.517 Pfund Baumwollgarne.
1851 nahm Anton Grimm seinen Fabriksdirektor als gleichberechtigten Miteigentümer in die Firma. Der Betrieb hieß nunmehr "K. k. landesbefugte Baumwollen und Feingespinstfabrik Grimm und Müller zu Traun". 1856, nach dem Tod Anton Grimms, kaufte Rudolf Müller von dessen Erben den halben Fabriksanteil. Knapp vor seinem eigenen Tod 1867 überließ er den Betrieb seinem Sohn Karl und dessen Gattin, offenbar in bereits angeschlagenen wirtschaftlichen Verhältnissen, denn 1868 wurde über das Vermögen von Karl Müller der Konkurs eröffnet und die Baumwollspinnerei wurde von vier Gesellschaftern einer anderen Baumwollspinnfabrik (jener Johann Grillmayrs) aufgekauft. Sie veräußerten das Inventar und schließlich auch die ehemalige Winkelmühle. Sie wurde 1869 von Josef Lang, dem Besitzer der Firma Graumann in Wien, um 25.000 Gulden erworben, 6.000 Gulden musste er darüber hinaus für das Wasserrad, für Transmissionen und Kammräder erlegen.
Graumann’s Eidam & Co.
Auch das Nachfolgeunternehmen war anfangs eine kleine Spinnerei, bald konnte jedoch eine Weberei angeschlossen werden, die in den folgenden Jahren großzügig erweitert wurde, so dass die Graumann-Fabrik in Traun bis 1914 zur zweitgrößten Baumwollweberei in Oberösterreich avancierte. Der Weg dorthin begann ursprünglich in Brandenburg. Von dort, einem kleinen Ort südlich von Berlin, stammte der Firmengründer Friedrich Graumann, der sich als Webergeselle, wie damals üblich, auf die Wanderschaft machte und 1813 nach Wien kam. Hier erwarb er 1817 das Webermeisterrecht und machte sich in Wien-Sechshaus, in der heutigen Graumanngasse, selbstständig. Später gründete er auch außerhalb von Wien und in Böhmen Textilfabriken. In Traun wurde das Unternehmen zunächst unter dem Namen Friedrich Graumann’s Eidam & Co. bekannt: Graumanns Schwiegersohn Josef Lang, der 1833 in den Betrieb eingetreten war und die Tochter Karoline Graumann geheiratet hatte, setzte den Schritt nach Traun. Später sprach man von der Langfabrik ebenso wie weiter von der Firma Graumann.
Dabei war es eigentlich Graumanns Enkel Wilhelm Lang, der das Unternehmen in Traun aufbaute. Schon wenige Wochen nach dem Kauf im März 1869 war er hierher übersiedelt und übernahm die Leitung der Fabrik. Er ließ die bestehenden Gebäude instand setzen und neue, moderne Spinnmaschinen aufstellen. Ebenso ließ er eine zweite Turbine einbauen. Zwei Jahre später richtete er eine Weberei ein – mit ihr begann eine erfolgreiche Expansion des Unternehmens. 1873 wurden zwei weitere Turbinen eingebaut, um die Wasserkraft des „Welser Mühlbaches“ für die steigende Produktion nützen zu können. 1877 musste die Weberei durch eine großzügige Halle erweitert werden. Auf insgesamt 631 Quadratmetern waren 26 mechanische Webstühle in Betrieb. Zehn Jahre später, 1887, arbeiteten 100 Arbeiter an 40 Webstühlen.
Wilhelm Lang bestimmte nicht nur das Wirtschaftsleben in Traun mit, er war auch in der Politik und im Vereinsleben federführend tätig. 1878 war er Mitbegründer der Freiwilligen Feuerwehr, ab 1880 Mitglied des Gemeinderates und von 1882 bis 1884 Bürgermeister. 1890 übertrug er die Leitung der Firma in Traun seinem jüngsten Bruder Rudolf Lang. Die wirtschaftliche Entwicklung war überaus günstig: 1900 wurde bereits an 242 Webstühlen gearbeitet, 3.028 Feinspindeln, eine Zwirnmaschine, vier Raumaschinen und verschiedene Garn- und Warenveredelungsmaschinen waren im Einsatz. In der Fabrik wurde nun auch mit der Erzeugung von Kunstseidenartikeln begonnen. Wie gut sich das Unternehmen entwickelte, zeigt auch der Blick auf die Zahl der Mitarbeiter: Waren es 1880 noch 74 Beschäftigte gewesen, so war ihre Zahl bis 1914 auf 500 angewachsen.
Auf und Ab im 20. Jahrhundert
Der 1. Weltkrieg und die wirtschaftlich schwierige Zeit danach, stoppten die erfolgreiche Entwicklung. Der zunehmende Rohstoff- und Kohlenmangel, aber auch der Mangel an Facharbeitern, schließlich der Verlust großer Absatzgebiete durch den Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie brachten Graumann in finanzielle Schwierigkeiten. Die Spinnerei musste stillgelegt und Maschinen mussten verkauft werden. Erst ab 1925 konnte sich das Unternehmen langsam wieder erholen, doch ab 1930 machten sich die Folgen der Weltwirtschaftskrise auch in Traun bemerkbar, so war besonders das Amerikageschäft stark zurückgegangen. 1936 hatte Graumann nur noch 330 Beschäftigte, 1937 gar nur noch 95.
Nach dem 2. Weltkrieg waren die Verhältnisse ähnlich schwierig. Erst ab 1948 konnte die Produktion wieder gesteigert werden. 1951 hatte die Fabrik knapp 500 Beschäftigte. 1957 konnte die Weberei von anfänglich 164 auf 240 Webstühle aufgestockt werden. Die Firma Graumann war nicht nur wieder einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region, ihre Produkte bestachen weltweit durch ihre erstklassige Qualität. Feine Hemden- und Blusenstoffe übertrafen in Amerika die englische Konkurrenz, für italienische Luxushotels wurden Piqué-Decken gewebt, Frottee- und Chenillewaren von Graumann wurden in renommierten Kaufhäusern wie Harrod’s in London geführt und waren auch im englischen Königshaus gefragt. Doch dem Aufschwung folgten bald branchenbedingte Strukturprobleme („Textilkrise“), nach dem Abzug der amerikanischen Besatzungsmacht war auch der riesige Exportmarkt USA weggefallen. 1958 sah sich Fritz Lang – er gehörte der vierten Generation der Graumann/Lang-Familie an –, genötigt, der wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung zu tragen und die Produktion einzustellen.